Der älteste Popstar der Welt wird 90 (2024)

Er ist eine der lebenden Musikerlegenden Kubas: Reynaldo Creagh. Während viele Kollegen längst in Rente sind, geht er mit „The Bar At Buena Vista” auf Welttournee. Heute, am 9. Juli, feiert der Sänger seinen 90. Geburtstag und ist damit wohl der älteste Popstar der Welt. Feliz cumpleaños!

Wenn man ihn mit seinen Urenkeln sieht, sieht er aus wie ein ganz normaler Opa. Da sitzt er nachdenklich in seinem Schaukelstuhl in seinem Haus in Santiago de Kuba. Er zieht genussvoll an seiner großen Zigarre, an seiner Cohiba, hält seine Dose „Crystal”-Bier zittrig in der Hand. Halt ein ganz normaler Opa. Doch wenn er auf die Bühne geht, dann scheint er einen Jungbrunnen zu durchlaufen.

Kraftvoll stimmt er sein „Chan Chan” an, das er mit seiner Band „Vieja Trova Santiaguera” aufgenommen hat. Vergessen ist der Schaukelstuhl. Sein Lebenselixier ist die Musik, sein eigentliches Wohnzimmer sind die Konzertsäle dieser Erde. Seine Lebensfreude und seine Kraft holt er sich bei seinen Auftritten. Verständlich, dass der mehrfache Ur-Großvater betont: „Ein Tag ohne Musik ist für mich ein nutzloser Tag”.

Tagsüber Bäcker - abends MusikerIn seiner Heimatstadt Santiago de Kuba sorgt er im legendären Musikklub „Trova de la Casa” immer noch für Begeisterungsstürme unter den Besuchern jeden Alters. Ein, zwei Lieder, danach wagt er sogar ein Tänzchen mit einer der jungen Sängerinnen. Das Publikum ist aus dem Häuschen. Alle wollen ihn begrüßen, „Hallo” sagen zu dem Mann, der die Musik des Zuckerrohrstaates seit vielen Jahrzehnten mit beeinflusst.

Sein Leben lang habe er hart arbeiten müssen, eigentlich ein zweigeteiltes Leben, erzählt er im Gespräch mit der Westfälischen Rundschau: Tagsüber erst Bäcker, dann Schreiner und dann viele Jahre als Schaffner, abends als Musiker. „Der liebe Gott hat mich mit einer guten Gesundheit ausgestattet, deshalb war das alles für mich nie ein Problem”, erklärt Reynaldo Creagh. Angefangen habe alles 1938 erinnert er sich, auch ans eine erste Band „Sonara”, mit der er auf Bällen und Partys gespielt habe.

„Es war eine tolle Zeit in den 50er Jahren, als wir mit ,Estudiantina Invasora' durch unsere Heimat gezogen sind”, berichtet er. Es war die Zeit des Wohlstands, der festlichen Bankette und Bälle überall auf Kuba, natürlich in erster Linie in Havanna. Auch nach der Revolution durch Fidel Castro, den er nur aus dem Fernsehen kennt, ging es für die Musiker noch weiter. Doch fehlte das Geld für festliche Bälle und damit ging es auch mit der Musik bergab.

Erst der Film von Wim Wenders „Buena Vista Social Club” habe eine Renaissance der kubanischen Musik, des Son, bewirkt. Der Son sei weit früher als der Salsa und alle Musikrichtugnen da gewesen. Er komme aus dem Innern der Seele, der Son. Eine Musik, die im Laufe der Jahre viele Interpretationen erfahren habe, wie eben der Salsa, „ein kommerzieller Name für den Son, nur ein großer Trick”, so Reynaldo Creagh.

Er selbst ist auch Gründungsmitglied einer der ältesten kubanischen Formationen, der Band „Vieja Trova Santiaguera”, mit der er seit 1993 durch die Welt tourte. „Sie hat mitgeholfen, die kubanische Musik wieder auf die Bühnen dieser Welt zu bringen”, sagte Creagh. Ins einem Wohnzimmer zeugt eine Goldene Schallplatte der EMI für die CD „La Manigua” davon, wie erfolgreich die Band außerhalb ihrer Heimat war.

Sein Lebensmotto „Tu alles in deinem Leben, was du willst, bevor du stirbst. Hinterher könnte es schwer werden”, lacht er mit tiefer Stimme. Und deshalb geht er auch noch einmal seinen Weg mit den alten Weggefährten.